Es ist keine Woche her, seit einige meiner Kopfhaare, genauer gesagt fast 2800 Haarwurzelgruppen, versetzt worden sind und ein neues Zuhause bekommen haben. Jetzt warte ich darauf, bis sie sich auf ihrem neuen - noch kahlen - Platz wohlfühlen und zu sprießen beginnen.
Das Allerwichtigste: Mir geht es gut, ich fühle mich so, wie immer, und nicht so, wie nach einer Operation, also müde und entkräftet. Das erleichtert das Warten auf den Augenblick, bis sich auf meinem Haupt was tut. Wenngleich mir von Anfang an eingetrichtert wurde, dass Geduld gefragt ist. Währenddessen habe ich also genug Zeit, um nochmals zurückzublicken auf den Tag meiner Operation und zu versuchen, den Weg dorthin zu skizzieren. Und das tue ich nicht nur für mich - sondern vor allem für diejenigen, die mit diesem Schritt liebäugeln und sich noch unsicher sind, was sie erwartet.
Ist es sicher - wie schwerwiegend ist der Eingriff? Und kann ich danach wieder bedenkenlos arbeiten gehen? Wann ist mein Wunsch entstanden, sich die Haare verpflanzen zu lassen? Wann ist daraus vielleicht sogar Sehnsucht geworden?
Festmachen an einem bestimmten Zeitpunkt kann ich das heute nicht. Bei mir waren es die vielen kleinen Momente, die den Wunsch nach mehr Haaren im wahrsten Sinne des Wortes wachsen haben lassen. Zum Beispiel: Der tägliche Blick in den Spiegel und die zunehmende Erkenntnis, dass da, wo vor einigen Jahren noch meine blonden Strähnen verlaufen sind, nach und nach lichte Stellen auftauchten. Gespräche mit Freunden oder Kollegen und gut gemeinte Scherze zu den weniger werdenden Haaren. Auch so mancher Friseurbesuch hinterließ seine Spuren. Nämlich dann, wenn mir klargemacht wurde, dass der Termin nicht lange dauern würde, weil - eh schon wissen - es bei wenig Haaren auch dementsprechend wenig zu tun gäbe.
Nostalgisch wurde ich auch beim Durchschauen der Fotobücher. Nämlich dann, wenn ich mir alte Bilder ansah, wo meine Haare gewissermaßen noch nicht in Frühpension waren. Da dachte ich mir ab und zu: das wär doch was, hier wieder mehr Kopfbedeckung zu tragen. Zusammengefasst: diesen einen Moment gab’s nicht, aber das eine oder andere Erlebnis hat mich in meinem Wunsch bestärkt, meine Haare transplantieren zu lassen.
Und so galt es im nächsten Schritt zu klären: wo lasse ich mir die Haare verpflanzen?
Istanbul, Izmir oder lieber Antalya? Die anfängliche Devise lautete: Hauptsache Türkei. Die machen das gut und sind obendrein viel billiger als alle anderen, heißt es oft. Dazu werden All-Inclusive-Pakete angeboten – inklusive Flug und Übernachtung im Hotel versteht sich! Zumindest, dass es vergleichsweise besonders günstig ist, lässt sich ganz einfach mit mehreren Mausklicks nachweisen. Und trotzdem sollte es nicht nur ums Geld gehen. Denn immerhin hatte ich vor, einen chirurgischen Eingriff in einem hochsensiblen Bereich vornehmen zu lassen.
Abseits von türkischen Angeboten wurde ich bei meiner Recherche auch in Österreich fündig. Moser Medical, so heißt der österreichische Anbieter, „Haare statt Glatze“ ist sein Motto. Den Spruch hatte ich schon einmal gehört. Vielleicht beim Sportsponsoring oder aus dem Radio. Dass ich die Marke kenne, ist vielleicht kein schlechtes Zeichen, dachte ich mir. Genauso wie einige derjenigen, die bereits eine „Moser-Haartransplantation“ durchgeführt haben. Auf Bildern erkannte ich Prominente, die eine erfolgreiche Transformation hinter sich haben. Je länger ich mich mit der österreichischen Alternative zur Türkei beschäftigte, desto weiter weg rückte mein Flug in den Bosporus. Einige Telefonate und ein persönliches Gespräch beim Ärzteteam von Moser Medical später, fasste ich dann den Entschluss: Die Moser Medical-Methode wird es werden, statt der türkischen „Holzhammer-Methode“ (zumindest kannte ich aus der Türkei mehrere Erlebnisberichte, die mich erschrocken haben).
Und schließlich galt es, einen Termin zu wählen. Sommer wollte ich nicht. Bei heißen Temperaturen nicht ohne Sonnenschutz raus zu dürfen und die direkte starke Sonne zu meiden, das stellte ich mir nicht so toll vor. Auch wenn man nach 2 Tagen schon wieder eine Kappe aufsetzen dürfte. Ein Termin im Herbst sollte es stattdessen werden. Nicht zu warm, nicht zu kalt, man kann danach, auch ohne am Kopf zu frieren, in die frische Luft. Das waren für mich sinnvolle Argumente für diesen Zeitraum. Und so begann ich die Tage zu zählen, bis es soweit war, mir vorzustellen, wie ich danach aussehen würde.
Die letzten Tage und Stunden vor der Haartransplantation:
Die Nächte davor verliefen unruhig. Was, wenn es schiefgeht, fragte ich mich - was passiert, wenn ich zusätzlich die wenigen Haare, die mir bleiben, verliere, und meine ganze Kopfbedeckung ihren Betrieb einstellt? Diese Gedanken versuche ich am Tag X zu verdrängen. Es heißt früh aufstehen. Mein Wecker klingelt um halb sechs in der Früh. Für einen Morgenmuffel wie mich die erste Herausforderung. Erfolgreich gemeistert. Dann etwas essen, denn der Tag kann lang werden. Davor auf Kaffee oder koffeinhaltige Produkte verzichten. Auch das befolge ich. Mit einem etwas mulmigen Gefühl geht’s dann in den 13. Wiener Gemeindebezirk. Es ist ein weiter Weg, wenn man so wie ich in Zentrumsnähe lebt und mit den öffentlichen Verkehrsmitteln anreisen muss. Andererseits genug Zeit, um nochmals über alles nachzudenken und zu hinterfragen, ob das wirklich notwendig ist? Sind Haare wirklich alles? Nein, sind sie natürlich nicht. Und doch sind sie ein Teil von mir. Und so erreiche ich letztlich Wien Hietzing mit dem Gefühl, dass meine Entscheidung die richtige sein würde.
Ankunft in der Moser Medical Klinik
Sieben Uhr früh ist es, als ich in die kleine beschauliche Klinik am Rande Wiens eintrete. Bevor es losgeht erwartet mich ein letztes Vorgespräch (oder vielleicht doch ein vorletztes?). Dazu Informationen: Was darf ich nach der OP und was sollte ich meiden (wobei die zweite Liste mit Abstand die längere ist)? Das wichtigste To-Do: In den ersten Tagen soll ich dem Kopf „Luft geben“, heißt: kein Hut, keine Kappe oder Haube aufsetzen! Ein zweiter wesentlicher Punkt, den ich mir als leidenschaftlicher Sportler mit Großbuchstaben notiere: keine sportlichen Aktivitäten für eine Woche, dann darf man langsam wieder beginnen und ab 2 Wochen ist jeder Sport inklusive Kraftsport wieder erlaubt.
Nun kann es weitergehen zum Doktor. Diesmal ist es tatsächlich das letzte Vor-OP-Gespräch. Mir wird erklärt, was nun ansteht und auf einer Zeichnung demonstriert, an welchen Stellen meine Haare entnommen werden und wo sie wieder eingesetzt werden. Außerdem wird die Vorgehensweise nochmals beschrieben. Es handelt sich um eine Einzelhaarentnahme, sprich Haar für Haar wird einzeln entfernt, um es anschließend - auch wieder einzeln - einzusetzen. Hätten wir das auch geklärt. Nun aber ab in den Operationssaal. Passend dazu riecht es rundherum immer mehr nach Krankenhaus. 8 Uhr früh ist es inzwischen. Jetzt sind auch die letzten Gespräche vorbei, es geht los.
Beginn der Haartransplantation mit Rasur und Entnahme:
Ich bekomme einen weißen Kittel, der mich endgültig in OP-Stimmung versetzt. Dann werden die Haare auf meinem Kopf rasiert und in Windeseile bin ich ganz kahl. Hoffentlich nur vorübergehend, denke ich mir. Die Rasur hat natürlich rein medizinische Gründe, wird mir erklärt. Sie erleichtert die Haarentnahme wesentlich, aber auch die Nachsorge wird dadurch angenehmer und vereinfacht. Bevor ich mich in Bauchlage begeben muss, bekomme ich noch eine Beruhigungstablette serviert.
Was die nächsten Stunden hinter mir passieren sollte, kann ich natürlich nur erahnen. Das liegt vor allem daran, dass die Entnahmestellen auf meinem Hinterkopf zuerst vom Doktor betäubt werden. Dazu der eine oder andere kleine Fühltest, ob ich eh nichts spüre? Nein, tue ich nicht. Die „Betäubung“ ist also erfolgreich. Soll heißen: Ich bin zwar anwesend, spüre aber nicht, wie mir die Haare entnommen werden. Denn jene Stelle, an der die Ärzte „herumdoktern“, ist anästhesiert. Großes Plus: Die Entnahmetechnik fühlt sich besonders sanft an. Und zwar dank eines Geräts, das mich vom Geräusch her an meinen letzten Zahnarztbesuch erinnert. Monoton und beruhigend klingt es, und so wird eine Haarwurzel nach der anderen entfernt und „zwischengelagert“. Das geht dann so ein paar Stunden. Ich befinde mich nach den Beruhigungstabletten im Dämmerzustand und nehme nur entfernt Geräusche wahr. Im Hintergrund läuft Chartmusik, die mich hin und wieder innerlich mitsummen lässt. Gute drei Stunden später darf ich mich wieder aufsetzen. Sämtliche Haare, die neu eingesetzt werden sollen, wurden mir inzwischen entnommen.
Aufbereitung der Haarwurzeln in einer Behandlungspause:
Jetzt wird jede Wurzeleinheit von den SpezialistInnen von Moser Medial für die Verpflanzung aufbereitet. Für mich heißt das: kurze Pause. Etwas trinken, eine Kleinigkeit essen, bevor die zweite Halbzeit im OP-Saal startet. Und dann geht’s schon wieder in die Liegeposition. Diesmal rücklings, was den Eindruck des Zahnarztbesuchs nochmals verstärkt. Und statt am Hinterkopf wird nun auf meinem Vorderkopf „herumgedoktert“. Da, wo meine Haare weniger werden oder teilweise gar nicht mehr da sind, gibt’s in Kürze Zuwachs.
So erlebe ich das Einsetzen der zuvor entnommenen Haare:
Zuerst dasselbe Prozedere: eine lokale Betäubung, damit ich möglichst wenig spüre. Und dann kommt die Feinarbeit. Mehrere Stunden lang wird jedes zuvor entnommene Haar neu eingesetzt. Haar für Haar, Wurzel für Wurzel. Ich bin in der zweiten Halbzeit wesentlich munterer als noch in der ersten und kann inzwischen sogar mit den Ärzten rund um mich herum plaudern. Sogar der Chef schaut kurz vorbei, um ‚Hallo‘ zu sagen. Ich fühle mich gut aufgehoben und freue mich über jeden kleinen Zupfer auf meinem Haupt, der mir verdeutlicht, dass da hier bald wieder etwas heranwachsen wird.
Geschafft: Ab jetzt ist Geduld gefragt.
Weitere drei Stunden später, inzwischen ist es 15 Uhr, sitzen die alten Haare auf ihrem neuen Platz. Ich bekomme einen Wundverband angelegt, den ich einen Tag nach der OP wieder ablegen soll. Jetzt darf ich mich anziehen und kann den OP-Saal verlassen. Zuvor der erste Blick in den Spiegel. Und die Erkenntnis, dass Geduld gefragt ist, bis die Wundstellen schön verheilen. Das wurde mir im Vorhinein natürlich auch so mitgeteilt. Trotzdem muss ich mich an diesen Anblick erst gewöhnen und freue mich bereits darauf, wenn ich nach einer Woche die Verkrustungen wegwaschen darf. Bis dahin: Ruhepause.